Zukunft Güterverkehr: SBB richtet kombinierten Verkehr neu aus

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 20. Mai 2025 veröffentlicht.

Um Güter wirtschaftlich zu transportieren, richtet die SBB den kombinierten Verkehr neu aus. Mit Fokus auf die Nord-Süd-Achse baut sie die erste Verbindung gemäss dem Konzept «Suisse Cargo Logistics» auf. Unrentable Verkehre werden nicht mehr gefahren. Wo Stellen nicht mehr benötigt werden, werden sie sozialverträglich abgebaut – schweizweit rund 65 Stellen bis Ende 2025. Die SBB beschäftigt rund 35500 Mitarbeitende, das sind knapp 3000 mehr als im 2019.

Für einen starken, zukunftsfähigen Schienengüterverkehr richtet die SBB diesen grundlegend neu aus und leistet neben der Politik und den Güterverkehrskunden ihren Beitrag dazu – das Unternehmen wird seine Kosten bis 2033 um 60 Millionen Franken pro Jahr senken.

SBB Cargo Schweiz versorgt mit Einzelwagenladungsverkehr, Ganzzügen und dem kombinierten Verkehr (KV) die ganze Schweiz mit Gütern klimafreundlich auf der Schiene. Im KV werden Ladeeinheiten wie Container auf längeren Strecken per Bahn und auf kürzeren Strecken auf der Strasse transportiert. Hier baut die SBB per 2026 die erste Verbindung gemäss dem Konzept «Suisse Cargo Logistics» auf. Mit dem Shuttle auf der stark nachgefragten Nord-Süd-Achse wird diese Verbindung zwischen Dietikon (ZH) und Stabio (TI) quer durch die Alpen gestärkt und das neue Angebot getestet.

Auf der Ost-West-Achse fehlen derzeit Express-Trassen für den Güterverkehr und eine passende Terminal-Infrastruktur für einen solchen Testbetrieb. Acht KV-Terminals der SBB, die nicht rentabel betrieben werden können, werden nicht mehr bedient: Oensingen, Basel, Gossau, Widnau, Renens, St. Triphon, Cadenazzo und Lugano. Der Güterumschlag von der Strasse auf die Schiene ist weiterhin an Terminals Dritter möglich. Damit stabilisiert die SBB den aufwändigen und gemäss den Vorgaben des Bundes profitabel zu betreibenden KV finanziell. Aktuell fährt sie hier, wie im defizitären Einzelwagenladungsverkehr, jährlich ein zweistelliges Millionendefizit ein.

Weitere Verbindungen sollen folgen

Bewährt sich der Testbetrieb zwischen Dietikon (ZH) und Stabio (TI), wird das Angebot im KV langfristig gemäss dem 2022 vorgestellten Konzept «Suisse Cargo Logistics» auf der Ost-West-Achse ausgebaut und die erforderliche Infrastruktur, wie zum Beispiel das trimodale Terminal Gateway Basel Nord, vorangetrieben.

Lösungen mit Sozialpartnern erarbeitet

Um die Kosten zu senken, investiert die SBB stark in einen zukunftsfähigen Güterverkehr, neben modernen und effizienten Lokomotiven und Güterwagen auch in Rangierbahnhöfe und Werkstätten sowie in Automatisierung und Digitalisierung.

Neben gezielten Investitionen in den Schienengüterverkehr muss SBB Cargo Schweiz Stellen, die nicht mehr nötig sind, abbauen. Der Fokus im KV auf die Nord-Süd-Verbindung und die Einstellung der unrentablen Transitzüge, von DB Cargo (sog. Partnerzüge), haben Auswirkungen auf die Mitarbeitenden. Bis Ende 2025 baut SBB Cargo Schweiz nach dem bereits kommunizierten Abbau von Stellen (Fakt ist: Verkehrsverluste im Güterverkehr zwingen SBB Cargo Schweiz zum Handeln) in der Verwaltung schweizweit zusätzlich rund 65 Vollzeitstellen im operativen Bereich ab. Mehrheitlich vom Stellenabbau betroffen ist das Lokpersonal, Rangierpersonal und das technische Kontrollpersonal der Güterzüge. SBB Cargo Schweiz beschäftigt heute rund 2250 Mitarbeitende; davon arbeiten rund 50 Mitarbeitende im kombinierten Verkehr.

Der Stellenabbau erfolgt so sozialverträglich wie möglich. Dafür hat die SBB zusammen mit den Sozialpartnern Lösungen im Rahmen des Gesamtarbeitsvertrags (GAV) erarbeitet. Der Abbau erfolgt möglichst über natürliche Fluktuation wie Pensionierungen oder über Wechsel innerhalb der SBB. Kündigungen sind die Ausnahme. Vom Stellenabbau ist die Deutschschweiz zu einem Drittel und das Tessin zu zwei Dritteln betroffen. Die Westschweiz ist nicht tangiert.

Seit 2019 hat die SBB 3000 Stellen aufgebaut

Zwischen 2019 und 2024 hat die SBB 3000 Stellen aufgebaut. Dabei handelt es sich zum grössten Teil um Stellen im operativen Bereich, beispielsweise Lok- und Zugpersonal, Ingenieure, Technikerinnen, Handwerker oder IT-Fachleute. Damit wurde der Unterbestand aufgeholt, externe Stellen internalisiert sowie dem steigenden Bauvolumen Rechnung getragen. Heute beschäftigt die SBB rund 35 500 Mitarbeitende.

SEV verurteilt Kahlschlag bei SBB Cargo und fordert glaubwürdigen Businessplan
Am 20. Mai 2025 hat das Gütertransportunternehmen SBB Cargo abermals einen Kahlschlag angekündigt: Zusätzlich zu den 55 Vollzeitstellen, deren Streichung im März kommuniziert wurde, sollen bis Ende Jahr weitere 72 Stellen entfallen. Insgesamt soll bis 2030 ein Fünftel der Belegschaft abgebaut werden, gegenüber rund 2120 Vollzeitstellen Ende 2024. Ein so radikaler Abbau bedeutet einen gefährlichen Verlust von Know-how und gefährdet die dringend notwendige Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene.

Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV fordert von SBB Cargo, auf den Personalabbau zu verzichten. Der SEV befürchtet, dass nach dem Abbau zahlreiche Fachleute mit wertvollem Know-how fehlen werden. Das führt dazu, dass bei SBB Cargo in Kürze die Produktion nicht mehr vernünftig funktionieren kann. Alternativen zum Abbau sind möglich: Personal mit zu wenig Einsatzmöglichkeiten kann vorübergehend an andere Unternehmen verleiht werden, vor allem innerhalb des SBB-Konzerns. Ansonsten droht SBB Cargo langfristig ein Fachkräftemangel.

«Die geplante Reduktion und Vereinfachung des Angebots führt mittelfristig kaum zu wirtschaftlichem Erfolg. So kann die zwingend erforderliche Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene nie gelingen», warnt Philipp Hadorn, der für SBB Cargo verantwortliche Gewerkschaftssekretär beim SEV. «Um seriös beurteilen zu können, ob der Abbau wenigstens dazu beiträgt, dass es später besser kommen könnte, möchten wir endlich einmal eine Strategie mit konkreten Annahmen und Berechnungsgrundlagen sehen.» Der SEV fordert deshalb von SBB Cargo einen seriösen Businessplan.

Verlagerung von Strasse auf Schiene in Gefahr

«Wenn SBB Cargo Chef Alexander Muhm verkündet, die Verlagerung von der Strasse auf die Schiene sei nicht seine Aufgabe, so ist das eine zynische Aussage, die komplett verkennt, dass genau das aus gesellschafts- und verkehrspolitischer Sicht die Hauptaufgabe von SBB Cargo ist», so Philipp Hadorn. Im März hat das Parlament ein Gütertransportgesetz verabschiedet, das den Schienengüterverkehr langfristig stärken soll. Güter sollen weiterhin auf der Schiene transportiert werden und nicht auf die Strasse rückverlagert werden. Um die klimapolitischen Ziele der Schweiz zu erreichen, muss es gelingen mehr Güter von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Der im Moment noch unrentable Einzelwagenladungsverkehr wird vom Bund weiterhin finanziell gefördert. Ebenfalls keinen Sinn macht es für den SEV, dass RALpin, bei der SBB Cargo beteiligt ist, kürzlich angekündigt hat die RoLa (Rollende Landstrasse) bereits auf Ende 2025 einzustellen. Der SEV befürchtet, dass ein Grossteil der jährlich bis zu 100’000 verladenen LKW die Schweiz künftig auf der Strasse durchqueren, mit negativen Konsequenzen für Bevölkerung, Umwelt und Infrastruktur. Für den SEV ist klar, die aktuellen Ankündigungen widersprechen einer langfristigen Strategie für einen funktionierenden Schienengüterverkehr und eine nachhaltige Klimapolitik.
Pro Alps: SBB sabotiert Verlagerung auf die Schiene
Die SBB streicht erneut zentrale Angebote im Güterverkehr auf der Schiene – diesmal im kombinierten Verkehr (KV). Die Politik muss endlich aufwachen, ihren Verfassungsauftrag wahrnehmen und die SBB in die Schranken weisen.

Noch im Jahr 2023 hatte die SBB den kombinierten Verkehr unter dem Konzept «Swiss Cargo Logistics» als Zukunftsmodell hervorgehoben und wollte neue Terminals sowie deren Ausstattung mit Bundesgeldern fördern. Jetzt will die SBB unter dem Titel «Neuausrichtung» ein Grossteil der KV-Verkehre zusammenstreichen, auch im alpenquerenden Verkehr. «Das widerspricht dem Volkswillen für mehr Verlagerung auf die Schiene und belastet die Bevölkerung und die Umwelt an den Verkehrsachsen noch stärker», sagt Nara Valsangiacomo, Präsidentin von Pro Alps.

SBB Cargo im Sparwahn

Mit der jüngsten Ankündigung setzt die SBB ihre Kahlschlag-Strategie unbeirrt fort: Bereits im Frühjahr wurden Kürzungen sowie radikale Preiserhöhungen im Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) angekündigt. Dies obwohl mit der Revision des Gütertransportgesetzes Fördergelder gesprochen wurden. Und erst vor zwei Wochen wurde publik, dass die Rollende Landstrasse (Rola), wo die SBB Miteignerin ist, auf Drängen der SBB bereits Ende 2025 eingestellt werden soll. Dies entgegen dem politischen Willen und über 100 Millionen Franken an gesprochenen Bundesmitteln bis 2028. Pro Alps hat als Reaktion darauf die Resolution «Keine Rola-Lastwagen auf den Transitstrassen» verabschiedet.
«Es ist nicht mein Auftrag, im Inland Güterverkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern, sondern das Defizit zu beheben», lässt sich der Leiter Güterverkehr von SBB, Alexander Muhm, am 20. Mai 2025 in den Medien zitieren. Diesen Sparauftrag hat sich die SBB selbst erschaffen. Denn sie lobbyierte in der Frühjahrssession 2025 intensiv gegen die Aufnahme eines offiziellen Verlagerungsauftrages ins Gütertransportgesetz in Form eines Verlagerungsziels für den Binnenverkehr. Der Grund für das Lobbying zeigt sich nun: Die SBB wollte unter dem Deckmantel der Eigenwirtschaftlichkeit freie Hand im Zusammenschrumpfen von SBB Cargo und nicht zusätzliche Verlagerung. Für Pro Alps ist das Vorgehen der SBB völlig verantwortungslos und kurzsichtig.

Es braucht die Verlagerung!

Die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ist kein Selbstzweck und sie ist entscheidend für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik: Güterzüge sind energieeffizienter, benötigen deutlich weniger Fläche als Lastwagen und verursachen massiv weniger CO₂- und Schadstoffemissionen. Sie entlasten Strassen signifikant, schützen Siedlungsräume vor Lärm und erhöhen die Verkehrssicherheit. Gleichzeitig stärkt eine leistungsfähige Schiene die Resilienz des gesamten Logistiksystems, etwa in Krisen oder bei Engpässen im Strassennetz. Die Schweizer Bevölkerung steht hinter der Verlagerung – doch die Politik muss diesen Willen endlich konsequent umsetzen. «Der Bundesrat muss jetzt endlich aktiv werden und die SBB in die Pflicht nehmen – sonst werden die Schweizer Strassen vollends im Lastwagenverkehr ersticken», sagt David Roth, Vorstandsmitglied von Pro Alps und Nationalrat. Mit der jüngst lancierten Petition für den Schutz der Alpen vor dem Verkehr fordert Pro Alps den Bundesrat auf seinen verfassungsmässigen Auftrag zum Schutz der Alpen endlich ernst zu nehmen und seiner Pflicht nachzukommen.

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