Im Tagesanzeiger vom 24. Juli 2025 fordert alt-SBB-Direktor Benedikt Weibel statt eines Ausbaus der Strecke Zürich – Bern eine neue Verbindung vom linken Zürichseeufer über Zug und Luzern nach Bern mit einem Tunnel unter dem Napf. Die Frage, ob dieses Projekt das grösste Potenzial aufweist, kann jedoch niemand beantworten. Dieser Vorschlag zeigt das Dilemma auf, dass keine politisch beschlossene oder überhaupt nur diskutierte langfristige, gesamtschweizerische Angebotsstrategie zum Bahnausbau existiert, die zeigt, wo das grösste Potential für die Verlagerung des Verkehrs auf die Bahn besteht. SwissRailvolution fordert ein solches Konzept, bevor ziellos und unkoordiniert weiter viel Geld in Einzelprojekten mit wenig Wirkung «verbraten» wird.
Vorbild Bahn 2000 und NEAT
Mit Bahn 2000 wurden zum Vergleich 5,9 Milliarden Franken investiert, die eine hohe Wirkung auf den Marktanteil der Bahn hatten. Nach Bahn 2000 und nach Neat wurden CHF 10 Mrd. ausgegeben. Der Fahrplan 2035 kostet weitere 30 Mrd. Das Herzstück Basel, der Durchgangsbahnhof Luzern und der Tunnel Zürich – Aarau werden nochmals über 30 Mrd. kosten. Zusammen also mehr als CHF 70 Mrd.
Niemand konnte bis jetzt sagen, was mit diesen 70 Milliarden besser wird, ausser dass es z.T. eine Taktverdichtung und 20% mehr Sitzplätze geben soll. Zudem wird hauptsächlich unter Betrieb an den bestehenden Strecken rumgeflickt, was bedeutet, dass sich das Angebot solange eher verschlechtert. Zum Vergleich: mit den km-Kosten der Neubaustrecke Bern – Olten von rund CHF 30 Mio/km könnte man mit CHF 70 Mrd. über 2’000 km Neubaustrecke bauen, was kaum jemand ernsthaft fordert. Mit einem Bruchteil davon könnte man die Fahrzeiten in der Schweiz pulverisieren, den Modalsplit massiv steigern und viel weniger Störungen für den Bahnbetrieb verursachen.
SwissRailvolution fordert Gesamtkonzept
Im Artikel weist der Direktor vom Verband Öffentlicher Verkehr VÖV, U. Stückelberger, darauf hin, dass auch neue Strecken gebaut werden, wie zwischen Morges und Perroy. Hier liegt genau eines der Probleme. In Morges und Perroy ist eine teure Einbindung in die bestehende Strecke mit Über- und Unterwerfungen nötig, die vermutlich ähnlich teuer sind, wie der Tunnel selber. Man müsste die Strecke Lausanne – Genf als Gesamtes betrachten. Vermutlich wäre eine Neubaustrecke Genf – Lausanne mit stark verkürzten Fahrzeiten deutlich günstiger als die vielen Einzelprojekte entlang der bestehenden Strecke. Das gleiche gilt z.B. auch für den Tunnel Zürich – Aarau, der direkt in den Knoten Olten, das grösste Nadelöhr des Schweizer Bahnnetzes, mündet, ohne dass bekannt ist, wie dieses behoben wird. Auch hier müsste die Strecke zwischen Zürich und der bestehenden Neubaustrecke Bern – Olten als Ganzes betrachtet werden. Eine Gesamtbetrachtung wäre z.B. auch notwendig, um festzulegen, welche Zufahrtsstrecken der Alpentransversale zuerst in Angriff genommen werden sollen.
«Unsere Forderung nach einem schweizerischen Gesamtkonzept ist also nötiger denn je: Mit weniger Kosten könnte man deutlich mehr Wirkung erzielen.»
SwissRailvolution
Links
- Tages-Anzeiger: Ex-SBB-Chef schlägt Tunnel unterm Napf-Gebiet vor – geht das überhaupt? [Abo-Artikel]
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