Gewerkschaften: Inakzeptable Sparmassnahmen auf dem Rücken der SBB-Mitarbeitenden [aktualisiert]

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 30. April 2022 veröffentlicht.

Die SBB-Leitung hat am Freitag, 29. April 2022 den Sozialpartnern Massnahmen vorgestellt, mit denen sie auf dem Rücken der Mitarbeitenden von SBB und SBB Cargo Einsparungen vornehmen will. Die SBB-Leitung will die Kaufkraft aller Beschäftigten senken und den Schutz der über 50-Jährigen schwächen. So sollen die Mitarbeitenden Managementfehler der Vergangenheit ausbaden und für die Folgen der Covid-Krise bezahlen, obwohl sie ständig an der Front waren.

Für die Verhandlungsgemeinschaft (VG) der vier Personalorganisationen bei der SBB – Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV, VSLF, Transfair und KVöV – sind die angekündigten Sparmassnahmen inakzeptabel.

Valérie Solano, Vizepräsidentin der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV und Leiterin der VG, nimmt kein Blatt vor den Mund:

«Nach mehr als zwei Jahren Pandemie sendet die SBB ein besonders schlechtes Signal an ihre Angestellten, die während der Gesundheitskrise unermüdlich gearbeitet haben, um den öffentlichen Dienst zu gewährleisten. Die vorgestellten Massnahmen sind inakzeptabel, insbesondere für über 50-Jährige. Wenn diese aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, haben sie zurzeit Anspruch auf Leistungen für Berufsinvalidität bis zur Pensionierung, sofern sie seit mindestens zehn Jahren bei der SBB gearbeitet haben. Dieser Schutz ist grundlegend, denn in einer Branche mit Monopolberufen ist es schwierig, sich im Fall einer Arbeitsunfähigkeit wieder einzugliedern. Die SBB-Leitung will die Berufsinvalidität schlicht abschaffen und bringt so die schwächsten Beschäftigten in eine prekäre Situation. Dies ist umso gravierender, als die SBB heute in diesem Bereich als vorbildliches Unternehmen gilt.»

Sparen will die SBB-Leitung zudem bei den Risikobeiträgen an die Pensionskasse. Zurzeit bezahlt das Unternehmen drei Viertel dieser Beiträge, während ein Viertel auf das Personal entfällt. Die Leitung fordert nun eine paritätische Beteiligung, was den Personalbeitrag um rund 0,4% des Bruttolohns erhöhen würde. Zudem will die Leitung auch den Personalbeitrag an die Krankheitskosten erhöhen.

«Die SBB-Leitung hält es für legitim, die Kaufkraft der Mitarbeitenden zu schmälern, obwohl die Lebenskosten ständig steigen. Der CEO Vincent Ducrot hat in einem Video gegenüber den Mitarbeitenden von zu grosszügigen Bedingungen gesprochen. Personalchef Markus Jordi erklärte gegenüber den Sozialpartnern, dass er sich bewusst sei, dass die Sparmassnahmen das Portemonnaie der Mitarbeitenden belasten. Dabei sind kaum zwei Monate vergangen, seit die SBB-Leitung bei der Präsentation des Jahresabschlusses 2021 die grosse Bedeutung der Mitarbeitenden als unschätzbare Ressource in ihrer Strategie 2030 hervorstrich. Diese Doppelmoral kommt bei den Mitarbeitenden nicht gut an»

, stellt Valérie Solano klar.

In den nächsten Tagen werden die Personalorganisationen ihre Gremien einberufen, um darüber zu entscheiden, wie auf diese inakzeptablen Angriffe zu reagieren ist.

Die SBB hatte dazu intern wie folgt informiert:
Bund und Kantone erwarten von der SBB Einsparungen. Die SBB muss deshalb alle Kosten überprüfen. Bei Löhnen und Stellen will sie nicht ansetzen. Hingegen beteiligt sich die SBB teils überdurchschnittlich stark an Lohnabzügen. Gespräche und Verhandlungen mit den Sozialpartnern starteten am 29. April 2022.

Die finanzielle Situation der SBB ist bekanntlich äusserst angespannt. Wie angekündigt leistet die SBB aus eigener Kraft einen Sparbeitrag von rund sechs Milliarden Franken, damit die nachhaltige Finanzierung bis 2030 gesichert ist. Zusätzlich erwartet der Bund ab dem Jahr 2024 weitere Einsparungen in Höhe von 80 Millionen Franken pro Jahr – durch tiefere Kosten oder höhere Erträge. Und auch die Kantone erwarten tiefere Kosten im Regionalverkehr: Sie sind nicht mehr bereit, die heutigen Kosten zu tragen.

Die SBB muss deshalb sämtliche Kosten überprüfen – und 44 Prozent unserer Kosten sind Löhne und Sozialversicherungsleistungen. «Wir müssen uns darum auch hier Gedanken machen, was an Einsparungen möglich ist», sagt SBB Chef Vincent Ducrot. Angesichts von Unterstützungsgeldern durch den Bund in Milliardenhöhe sei dies unumgänglich. Der SBB CEO will jedoch nicht Löhne kürzen oder produktive Stellen abbauen – hier sind ganz im Gegenteil sogar gezielt zusätzliche Stellen geplant.

Gezielt bei Lohnabzügen ansetzen, wo SBB sich überdurchschnittlich stark beteiligt
Hingegen, sagt SBB Personalchef Markus Jordi, beteilige sich die SBB heute bei manchen Lohnabzügen überdurchschnittlich hoch im Vergleich mit anderen Transportunternehmen und auch generell im Vergleich mit anderen Unternehmen. Hier will Markus Jordi in den Gesprächen und Verhandlungen mit den Sozialpartnern, die heute Freitag beginnen, ansetzen.

Die SBB sieht zwei Massnahmen bei den Lohnabzügen vor, wobei die Leistungen gleich bleiben: Die Erhöhung des Abzugs für krankheitsbedingte Fehltagekosten, die mit den Sozialpartnern verhandelt wird, sowie die Erhöhung des Risikobeitrags, die beim Stiftungsrat der Pensionskasse SBB beantragt wird. Die Aufhebung zusätzlicher Leistungen bei Berufsinvalidität kann die SBB in eigener Kompetenz beschliessen; darüber informiert sie die Sozialpartner.

Die Anpassungen sollen ab 2023 gelten. Alle Mitarbeitenden werden auf Basis ihres Lohnes prozentual in gleichem Umfang beteiligt. Die geplanten Massnahmen sollen letztlich auch zur Arbeitsplatzsicherheit der SBB beitragen.

Markus Jordi betont: «Auch wenn wir jetzt über Lohnabzüge sprechen und das im Portemonnaie spürbar sein wird – wir bleiben eine sehr gute Arbeitgeberin!». So übernimmt die SBB in einigen Bereichen auch weiterhin einen Grossteil der Aufwendungen, so bei den Zukunftsmodellen Valida und Priora. Diese ermöglichen Mitarbeitenden in besonders exponierten Funktionen, das Arbeitspensum schrittweise zu reduzieren oder sich frühzeitig pensionieren zu lassen.

Mit den Sozialpartnern werden nebst den Sparmassnahmen auch die Lohnrundenmittel 2023 verhandelt werden.

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