Bahnverkehr im Gotthard-Basistunnel wegen Entgleisung unterbrochen [aktualisiert]

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 10. August 2023 veröffentlicht.

Der Bahnverkehr im Gotthard-Basistunnel (GBT) musste am Donnerstag, 10. August 2023, kurz nach 12:45 Uhr, wegen einer Entgleisung eines Güterzuges unterbrochen werden. Gemäss der Kantonspolizei Tessin waren am Unfall mehrere Wagen beteiligt, die kein Gefahrgut enthielten. Der Lokführer des Unfallzuges wurde mit dem Lösch- und Rettungszug (LRZ) aus dem Tunnel evakuiert, er blieb unverletzt. Die Personenzüge zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin werden bis auf Weiteres über die Gotthard-Bergstrecke umgeleitet. Die Inbetriebnahme der unbeschädigten Tunnelröhre verzögert sich. Zur Dauer der Reparaturarbeiten an der Unfallstelle ist noch keine Prognose möglich. Die SBB empfiehlt, spontane Bahnreisen über den Gotthard zu verschieben.

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Am 10. August 2023 entgleiste ein Güterzug im Gotthard-Basistunnel: Entgleister Güterwagen neben defekten Schienen und Schwellen. / Quelle: SBB CFF FFS

Der Vorfall im Gotthard-Basistunnel (GBT) ereignete sich auf Höhe der Multifunktionsstelle Faido. Dort kam es beim befahren einer Weiche aus zu klärenden Gründen zu enormen Kräften, die zur Beschädigung der Weiche und einer Zugstrennung führten. Als Folge davon rollte ein Teil des Zuges, nun vom vorderen Zugteil und der Lok getrennt, in Richtung des Spurwechseltores, welches dann auch durchschlagen wurde. Die nicht entgleisten und unbeschädigten Wagen am Zugschluss hatten auch Gefahrgut geladen, sie konnten als erste aus dem Tunnel gefahren werden. Der betroffene Güterzug 45016 Chiasso Smistamento – Mannheim Rangierbahnhof ist Teil des Wagenladungsverkehrs (WLV) und bestand aus 30 Wagen. In der Schweiz ist SBB Cargo für den Zug verantwortlich und stellt auch den Lokführer. Traktioniert wurde der Zug mit den beiden Loks 185 110 und 185 104 von DB Cargo. In Deutschland ist DB Cargo für den Zug verantwortlich. Bei der Entgleisung von 23 Wagen des Güterzuges wurde die Gleisanlage im Bereich der Unfallstelle zerstört, auf rund 7 Kilometern Länge weist die Fahrbahn Schäden auf und eines der Spurwechseltore im Gotthard-Basistunnel ist so stark beschädigt, dass es ersetzt werden muss. Diese sicherheitsrelevante Einrichtung ist eine Einzelanfertigung für den Gotthard-Basistunnel wird zur Trennung der beiden Tunnelröhren benötigt. Es wird abgeklärt ob das Tor provisorisch repariert (geschweisst) werden kann, bis ein neu gefertigtes installiert wird. Sicherheit hat oberste Priorität, weswegen die zweite Röhre weder für den Personen- noch Güterverkehr genutzt werden kann.

Eine genaue Aussage zu Ursache und Schadensausmass lässt sich aktuell noch nicht machen. Der Unfallplatz wurden von den Untersuchungsbehörden inzwischen teilweise für Aufräum- und Reparaturarbeiten freigegeben. Die SBB konnte mit den umfangreichen Aufräumarbeiten beginnen. Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) und die kantonalen Untersuchungsbehörden untersuchen den Unfall. Wie die SUST bekannt gab, wurden einige Kilometer vor der Unfallstelle alle Fragmente eines Rades und Entgleisungsspuren festgestellt, die Untersuchungsbehörde vermutet daher derzeit einen Radscheibenbruch als Auslöser des Unfalls. Vor der Einfahrt in den Tunnel stellte die Zugkontrolleinrichtung (ZKL) in Claro keine Beanstandungen am Zug fest. Die Güterzüge können im GBT maximal mit 100 km/h verkehren.

Der Bahnverkehr wird in beide Richtungen via Gotthard-Bergstrecke umgeleitet, was im Personenverkehr zu Verzögerungen von bis zu einer Stunde führt. Da über die Bergstrecke keine Doppelstockzüge verkehren können und die Führung von Zusatzzügen nicht möglich ist, stehen an Wochenenden ca. 30% weniger Sitzplätze zur Verfügung. Da international Reisende in Chiasso umsteigen müssen, verlängert sich deren Reisezeit um rund zwei Stunden. Die SBB bitte ihre Kundinnen und Kunden für die Unannehmlichkeiten um Entschuldigung. Auch aufgrund des Ferienrückreiseverkehrs wird es zu stark belegten Zügen kommen. Es ist mit Stehplätzen zu rechnen. Die SBB bittet dringend, Bahnreisen über den Gotthard zu verschieben, und bittet um Verständnis. Eine Prognose, wie lange die Behebung der Schäden dauern wird, ist noch nicht möglich. Personen- und Güterzüge werden über den 16. August hinaus umgeleitet. Die SBB wird am Mittwoch, 16. August 2023, über das weitere Vorgehen informieren. Ab wann wieder ein Vollbetrieb in beiden Röhren möglich ist, kann derzeit nicht gesagt werden.

Güterzüge können gemäss Eisenbahnverordnung die Bergstrecke bis zu einer bestimmten Eckhöhe befahren. Entsprechend erfolgt ein Grossteil der Binnenverkehr-Transporte über diese Strecke, ein kleiner Teil wird temporär auf der Strasse befördert. Der kombinierte Verkehr (Container, Sattelaufleger, Lastwagen) überschreitet diese Eckhöhe und kann die Gotthard-Achse deshalb nur über den Gotthard-Basistunnel befahren. Deshalb wird der kombinierte Verkehr im Transitbereich über die Lötschberg-Simplon-Achse umgeleitet oder in den Ausgangterminals zurückbehalten. Via Lötschberg-Simplon konnte dafür eine zusätzliche Trasse geschaffen werden. Mehr ist nicht machbar, da aufgrund der Brenner-Sperre bereits andere Güterzüge über diese Route umgeleitet werden. Es gibt dennoch nur kleine Einschränkungen bei den Gütertransporten und der Güterfluss ist sichergestellt. Die SBB wird zu gegebener Zeit wieder informieren.

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Am 10. August 2023 entgleiste ein Güterzug im Gotthard-Basistunnel: Schienen und Rampen sind übersäht mit Flaschen und Dosen. / Quelle: SBB CFF FFS

Über die Gotthardbergstrecke umgeleiteter Güterzug von TX Logistik:

Vor Ort waren Beamte der Kantons- und Verkehrspolizei Tessin, der Feuerwehren von Biasca, Bellinzona und Faido, der SBB Intervention mit ihren Lösch- und Rettungszügen, des Rettungsdienstes von Tre Valli Soccorso, Spezialisten der Sektion Luft-, Wasser- und Bodenschutz (SPAAS) und der Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) im Einsatz.


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Kommentare

11 Kommentare

  1. Etwas anderes ist auch nie ernsthaft ein Thema gewesen (ausser bei gewissen Gerüchte streuenden Medien und unwichtigen, politisch gesteuerten ‘Experten’).
    Der Personenverkehr über den ‘Hoger’ ist ja 2020 mit Einführung der neuen RE ‘Treno Gottardo’ (SOB/SBB CFF FFS) Zürich/Basel-Locarno wieder aufgewertet worden.

  2. Zwei Bemerkungen:
    1) Auch die SBB Kann sich nicht selbst „entschuldigen“ sie kann nur um Entschuldighung bitten . . .
    2) Nebst der fehlenden Sitzplatzkapazität fehlen (wahrschenlich) auch für die Gotthard-Bergstrecke qualifizierte Lokführer.

  3. @H.U. Zumstein
    zu 2:
    Jedenfalls gelingt es offenbar, praktisch alle Personenzüge über den Berg zu führen, wenn auch nut 1-stöckig (was aber nicht an den Lf liegt).👍🙏

  4. Hallo allemiteinander.
    Gottlob hat die SBB die schöne Bergstrecke nicht Stillgelegt oder nur auf ein Gleis zurückgebaut. Das war ja am Angang mal zu lesen gewesen. Gottlob ist dies nicht passiert.
    Nun ist dieser Fall ja eingetroffen das ein Güterzug im Gotthard Basistunnel verunglückt ist. So ist ein Verkehr über die Bergstrecke wo halt etwas mehr Zeit benötigt möglich. Auch wenn ich mal wieder mit dem Zug ins Tessin fahre nehme ich die Variante mit der Bergstrecke, denn diese gefällt mir mehr als das Dunkle Loch. Gut da ist man schnell durch.
    Die BLS hat es ja auch so. Güterzüge mit Verspätung fahren ja auch über den Berg. Sollte ein Ereignis sein das der Lötschberg gesperrt wird, so ist ja auch die schöne Lötschberg Bergstrecke da.
    Wünsche euch allen ein schönes Wochenende

  5. Das Durcheinander im Gotthard-Basistunnel mit Weinflaschen, Bierdosen usw. sieht ja aus, als ob die Zürcher Street Parade durch den Tunnel gezogen sei. Das Aufräumen und die Reparaturarbeiten werden sicher noch einige Zeit beanspruchen. Es zeigt sich, wie gut es war, das in letzter Zeit wieder mehr in den Unterhalt der Gotthard-Bergstrecke investiert wurde und das viele der voreilig verschraubte Gleiswechsel heute wieder in Betrieb sind.

  6. Tout juste, Monsieur Belser👍
    Aber in der CH heisst es SPURwechsel, pardon.😁
    Ja, zum Glück wurden in letzter Zeit wieder Millionen in den Unterhalt der Berglinie investiert, v.a. in die Sanierung und Sicherung von essentiellen Infrastrukturen wie Tunnel, Stützmauern, Dämme, Brücken etc.
    Ebenfalls erfolgten partielle Gleis- und Fahrleitungserneuerungen.

  7. @Max(i)
    In CH heisst es Abfall bzw. bei Hausabfällen = Kehricht. CH-alem. auch Güsel/Ggüder.😊
    Nein, der Zug transportierte keinen ital. Kehricht nach NL. Es waren typ. IT-Produkte wie Wein, Tomaten, Pasta (Teigwaren) etc. mit Ziel DE.
    Es war ein deutscher (!) Zug mit Lokomotiven und vielen Wagen der DB Cargo, einige Wagen gehören der internat. Wagen-Vermietungsfirma ‘Transwaggon’.

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