Die Lok 205 kommt nach Graubünden zurück

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 8. September 2023 veröffentlicht.

Die Klärung der Eigentumsverhältnisse an der Lok Ge 2/4 Nr. 205 der Rhätischen Bahn (RhB) dauerte nicht weniger als sieben Jahre. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, das Kantonsgericht von Schwyz und letztinstanzlich das Bundesgericht hatten sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, bis endlich feststand, dass die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Eigentümerin der Lokomotive ist (die «Südostschweiz» und das «Bündner Tagblatt» berichteten in ihrer Ausgabe vom 21. Juni 2022 darüber). Nun konnte zwischen der ZHAW und der Stiftung Bahnmuseum Albula ein Schenkungsvertrag abgeschlossen werden, wonach das Eigentum an der Lokomotive an Letztere übergegangen ist. Damit ist der Weg frei, dass die Lokomotive restauriert und letztlich ihren vorgesehenen Standort vor dem Bahnmuseum Albula in Bergün/Bravuogn erhält. Zusammen mit der Krokodillok Ge 6/6 I Nr. 407 der RhB wird sie als Zeuge von vergangenen Zeiten vor dem Bahnmuseum Albula Besucherinnen und Besucher anlocken.

«Es ist ein Freudentag»

, sagt Reto Crameri, Präsident von Historic RhB und der Stiftung Bahnmuseum Albula in Bergün/Bravuogn.

Nachdem geklärt war, dass die ZHAW Eigentümerin der Lok war, konnte ein Schenkungsvertrag zwischen der ZHAW und der Stiftung Bahnmuseum Albula abgeschlossen werden.

«Damit ist das Bahnmuseum Albula nun rechtmässige Eigentümerin der Lok 205, was uns sehr freut»

, sagt Reto Crameri weiter.

Mit der historischen Lok 205 wird die Ausstellung rund um das Bahnmuseum erweitert und bereichert.

«Vor rund 50 Jahren schenkte unsere Alumni, respektive die RhB, uns eine besondere Lokomotive, die tief mit dem technischen Erbe unserer Hochschule verbunden ist. Heute geben wir mit Stolz dieses Stück Geschichte an das Bahnmuseum weiter, um es für kommende Generationen zu bewahren»

, so Jean-Marc Piveteau, Rektor der ZHAW.

Gebaut wurde die Lokomotive für die Unterengadiner Strecke, welche seit Anfang an elektrifiziert war: Zusammen mit sechs Schwesterloks wurde sie zwischen 1912 und 1913 an die RhB ausgeliefert und am 17. Mai 1913 auf der Engadiner Linie in Betrieb genommen. 1974 wurde die Lok nach der Ausrangierung von der RhB dem Technikum Winterthur als Ausstellungsobjekt geschenkt. Sie wurde dort auf einem Rollenprüfstand betriebsfähig erhalten.

Im Jahr 2007 wurde sie vom Club 1889 nach Arth-Goldau transportiert, wo sie eigentlich hätte restauriert werden sollen. Am 15. Mai 2015 wurde die Lok dann nach Landquart überführt und am 8. August 2015 folgte der Weg nach Filisur, wo sie seither wettergeschützt in einer Remise steht und auf ihren nächsten Einsatz wartet. Es folgte ein jahrelanges juristisches Hickhack zwischen Privatpersonen um die Lok, mit Strafanzeigen und nicht weniger als fünf Beschwerden an das Kantonsgericht von Schwyz. Mit Urteil vom 2. Mai 2022 hielt das Bundesgericht fest, dass der Abtransport von Arth-Goldau nach Landquart und Filisur kein Diebstahl gewesen sei und erklärte das Technikum Winterthur (neu ZHAW) als rechtmässige Eigentümerin der Lok [eine ausführliche Reportage findet sich in der aktuellen Kulturbahn auf den Seiten 56 ff.].

In der Folge beschäftigte sich der Dachverband Historic RhB mit der weiteren Zukunft der Lok. Für den Vorstand war klar, dass die Lok für die künftigen Generationen erhalten bleiben sollte und entsprechend restauriert werden muss. Dafür wurde ein Budget gesprochen und es wird weiter Geld für die Lokomotive gesammelt. Als Projektverantwortlichen bestimmte der Vorstand von Historic RhB Enrico Pirovino, der die Lok seit Jahren bestens kennt und sich mit ihrer Geschichte intensiv auseinandergesetzt hat. Das Ziel besteht darin, die Lok unter dem Dach vor dem Bahnmuseum in Bergün/Bravuogn zusammen mit dem Krokodil Nr. 407 in Szene zu setzen. Die beiden «braunen» Stangen-Loks zeugen von der Anfangszeit der Elektrifizierung der RhB. Damit dies möglich war, musste das Eigentum der Lok an eine Organisation in Graubünden übergehen. Neben der RhB kamen Historic RhB und das Bahnmuseum Albula als zukünftige Eigentümer infrage. Gemeinsam mit der RhB entschieden sich die Verantwortlichen, das Eigentum an die Stiftung Bahnmuseum Albula zu übertragen.

«Es ist sehr erfreulich, dass die ZHAW uns die Lok geschenkt hat»

, freut sich Reto Crameri.

Tatsächlich steht nun einiges an Arbeit bevor: Als Historic-RhB-Projekt muss die Lok restauriert werden, da sie sich äusserlich in einem schlechten Zustand befindet und der Zahn der Zeit an ihr genagt hat (sie stand jahrelang im Freien). Die Restaurationsarbeiten gestalten sich umso schwieriger, als über die Jahre verschiedene Teile an der Lok abhanden gekommen sind. Wie diese wieder beschafft oder neu hergestellt werden müssen, wird die von Historic-RhB ins Leben gerufene Arbeitsgruppe klären müssen.

«Wir sind überzeugt, dass die Lok vor dem Bahnmuseum Albula einen geeigneten und würdigen Standort findet und damit auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird»

, führt Reto Crameri weiter aus.

«Wir danken an dieser Stelle den Verantwortlichen der RhB für die Vermittlung und der ZHAW, dass sie uns das Eigentum an der Lok überlassen hat.»

Ob die Lok 205 dereinst wieder auf dem Streckennetz der RhB unterwegs sein wird, ist derzeit noch offen und ein mögliches Fernziel. Auf jeden Fall wird sie früher oder später eine Reise von Filisur in die Hauptwerkstätte nach Landquart zur Sanierung unternehmen um dann in neuem Kleid nach Bergün/Bravuogn an ihren Bestimmungsort gebracht zu werden.


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5 Kommentare

  1. Schade, musste diese einzigartige Lok so herunterkommen bis Mann jetzt eine gute Lösung gefunden hat. Aber nur ein Dach für die beiden Loks ist auch nicht ein wirklich guter, langfristiger Witterungsschutz und zu kurz gedacht. Historische Fahrzeuge lassen sich nur richtig in einer Remise langfristig optimal erhalten.

  2. Nach Jahren ist es soweit ein grosse Freude nun hoffe ich, dass es positiv weitergeht und bedanke mich bei allen Beteiligten für den großen Einsatz und wünsche euch weiterhin alles Gute , sodass wir oben beschrieben die Lok nach Bergün kommt und dort bestaunt. Werden kann . Die Lok ist ein wichtiger Zeuge der ersten Generation elektrischer Triebfahrzeuge der RhB von Einphasen Wechselstrom Loks . Mit freundlichen Gruß Andreas Rüedi pensionierter RhB .

  3. Wo waren eigentlich die RhB und historic RhB, als im Jahre 2007 die ZHAW die Lok 205 um jeden Preis loswerden wollte? Ausgerechnet jene, welche den historischen Wert dieser Lokomotive schon früh erkannt haben wollen und sich nun gerne als deren Retter in Szene setzen, bekundeten damals ihr Desinteresse!
    Um eine Verschrottung abzuwenden, wurde die Lok 205 im letzten Moment auf private Initiative von Winterthur nach Arth-Goldau verfrachtet. Dort hätten Studenten der Fachhochschule Luzern in einem mehrjährigen Projekt die technischen Voraussetzungen und deren Kosten für eine betriebsfähige Lok 205 ermitteln sollen. Eine Anfrage, ob die Lok 205 anschliessend im Bahnmuseum Albula eine neue Heimat finden könnte, blieb damals von historic RhB allerdings unbeantwortet.

    Acht Jahre später fand im Bündnerland ein Sinneswandel statt: Während die Studenten in Arth-Goldau mit ihren Arbeiten bereits begonnen hatten, wurde 2015 die Lok 205 heimlich von historic RhB abtransportiert. Wichtige, zu Revisionszwecken bereits ausgebaute und am Bahnhof Arth-Goldau eingelagerte Teile gingen bei dieser hinterhältigen Aktion verloren: Die Führerstandeinrichtungen samt sämtlicher Geschwindigkeitsmesser und Manometer, der Kompressor samt Kompressorautomat, der Umformer, Lok-Laternen, Lok-Beschriftungen und vieles mehr sind seither unauffindbar. Nun steht die Lokomotive also da – unvollständig, unbrauchbar und wertlos – aber für den Präsidenten von historic RhB ist das ein Freudentag!

    Obwohl die Staatsanwaltschaft im Jahre 2015 in der Sache bereits Ermittlungen einleitete, befand das Bundesgericht im Jahre 2022, dass der Fall aufgrund von widersprüchlichen Eigentumsansprüchen keine strafrechtliche Angelegenheit darstellt, weshalb ein Strafprozess verweigert und auf ein Zivilgericht verwiesen wurde.
    Im Bundesgerichtsurteil findet sich kein einziger Name eines potentiellen Eigentümers. Anders, als von historic RhB behauptet, bewertete das Bundesgericht weder den „Diebstahl“ in Arth-Goldau, noch aktuelle Eigentumsrechte. Bis ein Zivilgericht letztere geklärt hat, sind allfällige Schenkungsverträge zwischen der ZHAW und dem Bahnmuseum Albula schlicht Makulatur!

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