Ausgedampft: Vorzeitiges Saison-Ende beim Verein Historische MThB wegen Kesselschaden an der Dampflok Ec 3/5 3 [aktualisiert]

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 19. Oktober 2021 veröffentlicht.

Sie ist die einzige und letzte originale Thurgauer Dampflokomotive im Einsatz: Die Ec 3/5 Nr. 3 der einstigen Mittel-Thurgau-Bahn. Kurz vor ihrem 110. Geburtstag sah sich der «Verein Historische MThB» gezwungen, sie wegen Kesselschäden stillzulegen. Ein Revisionsplan steht – jetzt braucht es nur noch «Kohle».

«007» – für einmal ist damit nicht James Bond gemeint, der diesen Herbst im Kino läuft und den aktuellen Hauptdarsteller ein letztes Mal zeigt. Es ist die Nummer des Dampfkessels auf der Lokomotive Ec 3/5 Nr. 3, der 1912 gebauten Hauptdarstellerin des Vereins Historische Mittel-Thurgau-Bahn. Schäden haben das vorzeitige Ende der Dampf-Saison 2021 erzwungen.

Der 2007 damals im Bahnbetriebswerk ZOS České Velenice in der Tschechischen Republik neu angefertigte Kessel ist noch intakt; es geht um sein Innenleben: Nachdem man Schäden an einem Stehbolzen entdeckt hatte, führte eine sofort anberaumte Untersuchung durch das Kesselinspektorat zur Stilllegung: Rauch- und Siederohre sind am Ende ihrer Lebensdauer angelangt.

«Nicht aussergewöhnlich nach 15 Jahren im Einsatz und 145 Heizzyklen (Anheizen, Fahren, Abkühlen)»

, so «Lokgötti» Daniel Rutschmann.

Aber dennoch für die Betreiberin gravierend: Nachdem Corona auch dem Weinfelder Verein mit seinen Gesellschafts- und Ausflugsfahrten sowie den seit Jahren beliebten «Uferdampffahrten» zu schaffen gemacht hatte und andere Investitionen laufen oder anstehen, geht es nun an die Substanz.

Denn was wäre der Verein ohne den «Mostindien-Express», dem seit Jahrzehnten bekannten Zeitzeugen Thurgauer Bahngeschichte? Auch für Michael Mente, dem Weinfelder Vorstandsmitglied und Historiker, ist klar: Lok 3 muss weiterdampfen. Sie ist mobiles Kulturgut höchster Güte und vermittelt heutigen Generationen dank viel ehrenamtlichen Engagements ganz besondere Erlebnisse.

«Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.»

Dieses alte Zitat nimmt er in seinem Buch 2013 «Von der MThB zur Thurbo» als Kernbotschaft zur Beschreibung ihrer Reise durch die Zeit, welche die Lok vom Zugpferd für den Fortschritt bis zum entschleunigenden Kulturdenkmal durchlaufen hat. Erst der Stillstand würde Nostalgie erzeugen, meint Mente, jetzt gehe es um lebendiges, mobiles Kulturgut.

Vorläufig darf aber kein Feuer in der Lok glühen, umso mehr brennt die Leidenschaft der Beteiligten: Ein Plan zur Revision steht bereits, alle Kräfte wären einsatzbereit. Die Arbeiten sollen durch den bekannten Aargauer Kesselschmied Demian Soder im «Locorama», dem Standort der Lok, durchgeführt werden; das könnte für Medien und vor allem Publikum, Schülerinnen und Schüler sowie Interessierte aller Art während der anberaumten drei Wochen Arbeit eine lehrreiche Sache werden, sieht man so eine Revision doch nicht alle Tage!

Doch es fehlt noch die «Kohle». Zum ersten Mal seit Bestehen des gemeinnützig tätigen Vereins 2003 ist man auf die Öffentlichkeit angewiesen, um eine Finanzierung stemmen zu können. Das erzeugt einen gewissen Druck. Gut 110’000 Franken sind veranschlagt, bis der Kessel wieder unter Druck gesetzt werden darf. Viel Geld für den Verein; man hofft auf Beiträge der öffentlichen Hand und verschiedener Institutionen, um die man bitten wird, aber das wird nicht reichen, um die ganze Summe in der geforderten kurzen Zeit zu decken.

Die letzte originale Thurgauer Dampflokomotive mit dem Kessel Nr. 007 – irgendwie stand sie dennoch einst im Dienste «ihrer Majestät», wurde die MThB doch auch liebevoll «Maria-Theresia-Bahn» genannt. Nachdem die Bahn, neckisch auch als «Mittellose Thurgauerbahn» betitelt, tatsächlich liquidiert werden musste, konnte der eigens zu diesem Zweck gegründete Verein 2003 nach einer beispiellosen Rettungsaktion, welche die Thurgauer Öffentlichkeit aufgerüttelt hatte, die Lok für den Thurgau erhalten. Und nun geht es um die Lizenz zum Weiterdampfen der ansonsten rüstigen Dame.

Der Verein, der seither das historische Erbe der MThB pflegt, wird alles daransetzen, dass das im September erzwungene vorzeitige Ende der Dampfsaison 2021, gut zwanzig Jahre nach dem Niedergang der Mittel-Thurgau-Bahn nicht auch das Ende der Lok bedeutet. Die historischen Fahrzeuge sind Kulturgut von höchstem öffentlichem Interesse und sollen weiter Erlebnisse vermitteln.

Der VHMThB, der seinerseits bald das 20-jährige Bestehen feiern möchte, hofft mit dem Appell auf einen erneuten Ruck in der Öffentlichkeit, damit sich der Nostalgie-Zug wieder in seiner originalen Formation in Bewegung setzen kann.

Spendenkonto:
Raiffeisenbank Mittelthurgau, 8570 Weinfelden
IBAN CH03 8080 8003 8552 8377 1
Vermerk: Kesselschaden
Verein Historische Mittel-Thurgau-Bahn
Florastrasse 16, 8570 Weinfelden

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